Kurzinhalt:
Texas 1979. Eine Gruppe junger Filmemacher macht sich auf den Weg zu einer abgeschiedenen Farm mitten im Nirgendwo, um dort endlich den Film zu drehen, der ihnen zum Durchbruch verhelfen soll – ein Porno. Doch als die zurückgezogen lebenden Farmbesitzer dem Treiben ihrer Gäste auf die Spur kommen, gerät der kreative Trip zum Kampf auf Leben und Tod…
Originaltitel: X
Jahr: 2022
Genre: Terrorfilm, Retro, Horror
Kinostart: 05.05.2022
3D: Nein
Altersfreigabe: ab 16 Jahren – FSK
Produktionsland: USA, Kanada
Regie: Ti West
Drehbuch: Ti West
Musik: Tyler Bates, Chelsea Wolfe
Produzenten: Jacob Jaffke, Harrison Kreiss, Kevin Turen, Ti West, Kid Cudi, Dennis Cummings, Ashley Levinson, Sam Levinson, Karina Manashil, Peter Phok
Darsteller: Mia Goth, Jenna Ortega, Brittany Snow, Kid Cudi, Martin Henderson, Owen Campbell, Stephen Ure, James Gaylyn, Simon Prast, Geoff Dolan, Matthew J. Saville, Bryony Skillington
Kritik:
Von Sebastian Notbom
Prüfungsmedium: Kino
Anzahl der Kritiker: 2
Als Ende der 70er Jahre in den USA langsam der VHS-Heimkinomarkt anfing zu boomen, beschließt ein Strip-Club-Betreiber sein ganzes Hab und Gut in einen Schmuddelfilm zu investieren, weil man nun ja nicht mehr darauf angewiesen sei, in zwielichtigen „Kinos“ oder Videokabinen selber Hand anzulegen. Dies können die Konsumenten neuerdings in Ruhe zuhause machen, nur gibt es dafür noch keinen richtigen Markt und die Gesellschaft ist noch entsprechend prüde, weshalb die Location für den Dreh sorgsam ausgewählt werden will. Schließlich soll der Film am Ende auch im „künstlerischen Sinne“ einiges hermachen und so wird sich kurzerhand gegen ein paar Dollar auf einer alten Ranch eines (sehr, sehr, sehr) alten Ehepaares außerhalb von Austin/Texas, in ländlichen und konservativeren Gefilden einquartiert.
Wer jetzt denkt Prüderie wäre der Grund, warum die ganze Geschichte einen ziemlich blutigen Verlauf nimmt, der irrt. So viel kann ich verraten (und deutet es der Trailer auch schon an): Wir haben es hier nicht mit religiösen Fanatikern zu tun. Eher ist das Gegenteil der Fall…
Im übertragenen Sinne kann ich mir nun sehr gut vorstellen wie sich Leute fühlen, die keine Horrorfilme mögen, aber dennoch genötigt werden (Gruppenzwang, oder so) sie anzuschauen. In diesem Fall geht es um Sex, denn die Rahmenhandlung sieht vor, dass ein Pornodreh ordentlich aus dem Ruder läuft. Natürlich gehören leicht bekleidete Damen zum guten Ton der Slasher- und Terror-Subgenres und damit habe ich – als heterosexueller Mann – gewiss kein Problem. Jedoch mit den Ranch-Besitzern bzw. der Ehefrau und ihrer unkontrollierbaren Libido, denn diese ist der Grund, weshalb die Situation schlussendlich eskaliert…
Obwohl die Grundidee zugegebenermaßen sehr kreativ ist, wären mir bestimmte Bilder und Gedanken beim Anschauen von X gerne erspart geblieben. Mein eigenes Kopfkino hatte leider zur Folge, dass ich diesen tatsächlich sehr gut inszenierten Terrorfilm nicht mehr wirklich genießen konnte. Dazu beigetragen haben vor allem die Masken des alten Ehepaars, nicht unbedingt die Tatsache dass… naja, die Alten waren für mich auf jeden Fall ganz tief im ‚Uncanny Valley‘ (googelt mal danach, der psychologische Effekt ist sehr interessant).
Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Ti West ist für mich nach Cabin Fever 2 gedanklich gestorben. Einen so dummen Film hatte ich bis Dato noch nicht gesehen (bis auf Zombie Attack! Museum of the Dead). Er schafft es irgendwie immer, dass egal was er in Eigenregie verfilmt, mich irgendwas gravierend stört. Bei z.B. Cabin Fever 2 war es der absolut katastrophale und super kindische Fäkalhumor und hier diese „dürfen-sehr-alte-Menschen-mit-sehr-hässlichen-Masken-noch-Sex-haben?“-Thematik…
Einer von Wests besseren Filmen ist The Innkeepers und in einigen Serien und Episodenfilmen hat West hin und wieder doch noch abgeliefert und glücklicherweise/scheinbar noch einiges dazu gelernt. Zu X kann ich nun also guten Gewissens sagen, dass ich bei neueren Filmen – die ebenfalls in den 70er Jahren spielen – niemals eine bessere, auf alt getrimmte Optik regelrecht genießen konnte! – Die Bildkompositionen, die Kameraführung, die Settings und die Kostüme sehen schlichtweg fantastisch aus! Man fühlt sich regelrecht in der Zeit zurückversetzt…
Auch die ziemlich blutigen, handgemachten Effekte sind über jeden Zweifel erhaben; nur ist der Film meiner Meinung nach nicht ganz so hart, wie er angekündigt wurde. Capelight Pictures hat eine große Werbekampagne auf Social Media gefahren, in der stolz verkündet wurde, dass es X trotz angeblichem Widerspruch ungeschnitten durch die Prüfungsinstanzen der FSK geschafft habe, wobei letztendlich eine relativ milde Freigabe ab 16 Jahren zustande kam; anstatt des angestrebten, werbewirksameren, roten 18er-Flatschen. Dennoch haben es zwei-drei der Filmtode wirklich in sich!
Die Schauspieler sind allesamt sehr erfahren. Ich empfand die Darstellung ihrer Rollen absolut überzeugend und es wird auf Basis sehr kurz gehaltener Dialoge sehr schnell klar, welche Ambitionen die jeweiligen Charaktere leiten.
Allen Darstellern voran brilliert natürlich Mia Gypsy Mello da Silva Goth (aka Mia Goth – Das Geheimnis von Marrowbone, The Survivalist, A Cure for Wellness, Suspiria [2018]), ein ehemaliges Model und Schauspielerin aus Leidenschaft, die langsam auch über den Horror-Tellerrand hinaus bekannt wird.
Sehr gut gecastet finde ich zudem Jenna Ortega (Scream [2022]) – deren Karriere gerade richtig Fahrt aufnimmt – und den Rapper Kid Cudi (Westworld), der so richtig „hart“ (wegen Stecher – Gag verstanden? – haha) den „Blacksploitation-Vietnam-Veteran-Dude“ mimt.
Fazit:
X ist ein wirkungsvoller und toll inszenierter „TCM-like-Retro-Terrorfilm“, mit brillant auf alt getrimmter 70er-Jahre-Optik, ansprechendem Soundtrack (von Tyler Bates) und sehr guten Schauspielern. Die Atmosphäre baut sich klassisch langsam auf, was die Sehgewohnheiten jüngerer Zuschauer irritieren könnte, mir aber nicht unangenehm aufgefallen ist.
Schade, dass mir dieses Sex-Ding (in Bezug auf die Greise) so sehr einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Deren Masken waren mir einfach zu übertrieben hässlich und haben für ein „ungewollt unwohles Gefühl“ gesorgt. Diesbezüglich befand ich mich gedanklich ganz tief in ‚Uncanny Valley‘, was aber mein ganz persönliches Problem ist, das sich nicht gravierend auf die objektive Bewertung dieses ansonsten rundum gelungenen und ziemlich blutrünstigen (in der zweiten Hälfte) Retro-Genre-Beitrags niederschlagen soll.
Ein moderner Horror-Slasher, perfekt geeignet für die Essigsäure-Fraktion! – Es könnten übrigens noch zwei weitere Teile folgen. Ti West und gelungene Fortsetzungen muss man aber mit Vorsicht betrachten…
4,5 von 6 Punkten
DVD / Blu-ray / 4K UHD
Bisher nur im Kino gesichtet…
Verleih: Capelight Pictures
Verleihstart: 02.09.2022 (VoD)
Verkaufstart: 02.09.2022
Verpackung: DVD / Blu-ray Hülle / Mediabook
Discs enthalten: 2 (Mediabook)
Wendecover: unbekannt
Schuber: unbekannt
Ton:
• Deutsch: DD 5.1 (Blu-ray: DTS-HD Master Audio 5.1)
• Englisch: DD 5.1 (Blu-ray: DTS-HD Master Audio 5.1)Untertitel: Deutsch
Bildformat: 1,90 : 1
Blu-ray Auflösung: 1080p / 24Hz
4K UltraHD Auflösung: 2160p / 24Hz
Laufzeit: ca. – Min. (Blu-ray & 4K UHD ca. 105 Min.)
Uncut: Ja
Extras:
• 24-seitiges Booklet (Mediabook)
• The Farmer’s Daughters – Der Film (Mediabook)
• That X Factor (Mediabook)
• Making-of (Mediabook)
• Becoming Pearl (Mediabook)
• Featurette (Mediabook)
• Trailer