… legt den erfolgreichsten Kinostart des Jahres hin
Sechs Jahre lang mussten Fans von Benedict Cumberbatch warten, bis er endlich seinen zweiten Film als Doctor Strange erhielt. Die Spannung vor dem Kinostart war groß, schließlich sollte es sich nach Angaben von Marvel um den ersten Horrorfilm des erfolgreichen Filmstudios handeln. Für die Umsetzung konnten die Produzenten einen Meister seines Fachs gewinnen.
Sam Raimi hatte schon vor Jahrzehnten mit Tanz der Teufel einen Klassiker des Gruselgenres geschaffen. Sein Schocker erregte damals so sehr die Gemüter, dass in Deutschland nur eine geschnittene Version veröffentlicht wurde. Raimi ersetzte den kurzfristig aus dem Projekt ausgestiegenen Scott Derrickson und lieferte auch unter Druck eine weitere Probe seines Könnens.
Rückkehr zu den Helden von Marvel
Die Entscheidung, den Horrorgenre-Spezialisten Sam Raimi für die Fortsetzung von Doctor Strange zu verpflichten, erwies sich offenbar als richtig. Angesichts der Tatsache, dass Doctor Strange in the Multiverse of Madness der erste Horrorfilm des „Marvel Cinematic Universe“ werden sollte, war die Wahl zwar mutig, aber nachvollziehbar. Raimi hat schließlich bereits jede Menge Erfahrung mit einem anderen Superhelden aus dem Marvel-Universum. Seine Spider-Man-Filme mit Tobey Maguire waren weltweite Superhits und stießen vor rund 20 Jahren das Tor zum Superheldenboom weit auf. Damals bremste der Welterfolg seine Karriere als Regisseur, nun könnte Doctor Strange in the Multiverse of Madness diese wieder in lichte Höhen befördern. Immerhin ist dem Film die Vergangenheit seines Regisseurs deutlich anzusehen. Marvel riskierte mit der Festlegung auf das Genre Horror alles und scheint dabei gewonnen zu haben. Immerhin bergen Genrefilme das Risiko, nur eine bestimmte Zielgruppe des Publikums anzusprechen. Doch auch in der Vergangenheit schafften es einige von ihnen, die Filmindustrie nachhaltig zu beeinflussen. Bestes Beispiel dafür war Alfred Hitchcocks Psycho.
Der Genre-Spezialist liefert ab
Ich denke es gibt mittlerweile unzählige Horrorfilme, die nicht nur die berühmte Duschszene zitieren, sondern auch das Thema des mörderischen Muttersöhnchens aufgegriffen haben. Hitchcock traute sich als erster großer Regisseur Horror einem breiten Publikum zu servieren und gewann. Psycho gilt nicht umsonst bis heute als Mutter aller Horrorfilme. Einen ähnlich starken Einfluss auf ein ganzes Genre hatte Cincinnati Kid aus dem Jahr 1965. Das Drama mit Steve McQueen in der Hauptrolle bewies, dass ein Duell zweier Männer am Pokertisch die Zuschauer über die volle Zeit hinweg fesseln kann. Diese gewagte Prämisse griffen in den darauffolgenden Jahren und Jahrzehnten auch Filme wie Der Clou (1973), Rounders (1993) und natürlich Casino Royale (2006) auf. Dessen spannendes Duell zwischen Daniel Craig als 007 und Mads Mikkelsen als Le Chiffre gilt bis heute als eine der besten Repräsentierungen des Kartenspiels, auch wenn, anders als in der Originalfassung von Ian Fleming, Texas Hold’em statt Baccarat gespielt wurde und Bond mit einer der besten aller Poker Hände, einem Straight Flush, das Spiel für sich entscheiden konnte. Diese Szene beförderte den Hype rund um das Pokerspiel, der zu diesem Zeitpunkt bereits angelaufen war, enorm. Ähnliches geschah auch mit der Serie The Queen’s Gambit (Das Damengambit), die sich in den derzeitigen Schachboom einordnen und ihn gleichzeitig weiter anfeuern konnte.
Dass Genrefilme nicht nur andere Hollywood-Blockbuster, sondern auch das echte Leben beeinflussen können, stellte schon der Elektronik-Konzern Samsung vor einigen Jahren unter Beweis. Im Prozess gegen Apple argumentierte der Tablet-Hersteller, dass schon der Film 2001: Odyssee im Weltraum jenes Design gezeigt hatte, das Apple Jahrzehnte später für seine eigenen Geräte verwendet hatte. Der Konzern legte Fotos aus dem Film vor, die zeigten, dass die damaligen Schauspieler tatsächlich Geräte verwendeten, die dem iPad frappierend ähnelten. Doch das fand beim Richter keinen Anklang, Samsung musste sich im Patentrechtsstreit neue Argumente überlegen.
Batman hatte keine Chance
Doctor Strange in the Multiverse of Madness hat jedenfalls die besten Chancen alle Genregrenzen zu sprengen und den Horrorboom weiter zu befeuern, denn die Einspielergebnisse sprechen für sich. Doctor Strange in the Multiverse of Madness zertrümmerte die Konkurrenz bereits am ersten Wochenende. Mit einem weltweiten Einspielergebnis von rund 450 Millionen Dollar übertraf der Film alle Erwartungen. Selbst die Neuausrichtung von The Batman musste da finanziell zurückbleiben. Angesichts dieser Summe ist höchst wahrscheinlich, dass der neue Sam-Raimi-Film die Milliarden-Dollar-Grenze mit Leichtigkeit übertreffen wird. Das ist umso erstaunlicher, als dass der erste Teil weltweit auf ein Einspielergebnis von rund 678 Millionen Dollar gekommen war. Damit rangierte der Film am unteren Ende der Erfolgsskala von Marvel. Der zumeist sehr von sich eingenommene Doctor Strange ist schließlich alles andere als massentauglich. Doch seither ist Benedict Cumberbatch in zahlreichen anderen Marvel-Filmen in Erscheinung getreten, sodass die Spannung über die Fortschreibung der Geschichte eines Multiversums überwog. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Protagonisten nicht gerade um die beliebteste Figur aus dem „Marvel Cinematic Universe“, doch die filmische Neuausrichtung auf Horror und die Vorarbeit von Spider-Man im Vorjahr dürften den Erfolg noch einmal beflügelt haben. Für Sam Raimi zeichnet sich also eine triumphale Rückkehr auf den Regie-Olymp ab. Das sollte in Zukunft hoffentlich jene Budgets lockermachen, die er für weitere Horrorstreifen benötigen wird. Ich wünsche ihm, dass der Blockbuster diesmal seine Karriere beflügelt und nicht blockiert. Hält der Erfolg von Doctor Strange in the Multiverse of Madness jedoch weiter an, dann stehen die Wetten gut, dass er ein weiteres Mal auf dem Regiestuhl von Marvel Platz nehmen wird. Schließlich teasert der Film in seiner Midcredit-Szene bereits die Zukunft an und diese bietet reichlich Stoff für Regieeinfälle des Altmeisters.
Marvel profitiert damit von der Vorarbeit, die Studios wie Blumhouse in den letzten Jahren geleistet haben. Kleine und günstige Horrorfilme haben das Genre wieder zurück an die Spitze des Boxoffice gebracht, das freut uns natürlich besonders. Gut möglich, dass nun andere große Studios nachziehen und weitere große Filme zum Thema produzieren werden. Ich bin sicher, wir dürfen uns bald über weitere großartige Filme freuen.